In die Erschaffung einer Fantasy- oder Science-Fiction-Welt fließen oft etliche Stunden Arbeit und Herzblut. Die Versuchung, möglichst viel davon in der Geschichte unterzubringen, ist dementsprechend groß. Denn schließlich möchtest du, wie auch deine Vorbilder der Phantastik, deine Schöpfung in ihrer Vielfalt vor den Augen deiner Leser*innen zum Leben erwecken.
Damit dies gelingt, gilt es jedoch einiges zu beachten. Und vielleicht fragst du dich an diesem Punkt angelangt sowieso:
Wie zur Hölle soll ich all diese Informationen in meiner Geschichte unterbringen?
Tatsächlich ist das Worldbuilding, das du an deinen Lieblingswerken der Phantastik bewunderst, nur die Spitze eines Eisberges, unter der sich eine riesige und komplexe Welt verbirgt. Nur ca. 10 % des Weltenbaus sind im Roman überhaupt sichtbar. Damit sind die übrigen 90 % deiner Schöpfung aber nicht für die Katz, denn diese brauchst du, um deine Welt glaubhaft zu vermitteln.
So funktioniert Casual Worldbuilding
Im Folgenden zeige ich dir, wie du deinen Weltenbau clever in deine Geschichte einflechtest, ohne deine Leserschaft mit enzyklopädischen Einleitungen über die Tabakwaren deines Volkes oder langen Infodumps mitten im Text zu erschlagen.
1. Vermeide Infodumps
Was du Tolkiens Zeiten und auch viele Jahre danach noch funktioniert hat, empfinden heutige Lesende als störend. Wir sind so sehr an die cineastische Erzählweise gewöhnt, dass es uns schwerfällt, langen und der reinen Information dienenden Einschüben zu folgen. Stattdessen fühlen wir uns aus dem Text herausgerissen, weil diese Abschnitte nichts zu Handlung beitragen.
Baue Informationen über deine Welt nur dort ein, wo sie zum Verständnis benötigt werden und beschränke dich auf das Notwendige. Indem du bewusst Informationen zurückhältst oder in Form von Andeutungen im Raum stehenlässt, erweckst du Neugier und regst deine Leserschaft zum Weiterlesen an.
2. Weniger ist mehr
Streue neue Namen und Begriffe sparsam ein. Schaue dir dazu lange, erläuternde Absätze an und entferne alle Eigennamen und Erklärungen, die du an dieser Stelle nicht brauchst. So erleichterst du es deiner Leserschaft, den Text auf relevante Informationen zu filtern. Details, die weder zur Handlung noch zu den Figuren einen direkten Bezug haben, bleiben Lesenden meist sowieso nicht in Erinnerung.
3. Immersion
Zeige deine Welt im Alltag deiner Figuren durch
- die Nutzung von Magie oder Technologie im Alltag
- den Konsum typischer Speisen und Getränke
- das Praktizieren religiöser / spiritueller Riten
- Kleidung, Kunst, Literatur oder Musik
- Bauwerke und Natur, während sich deine Figuren durch die Welt bewegen
Es sind nur kleine Details und doch sind sie ein mächtiges Werkzeug, um ein lebhaftes Bild deiner Welt zu erzeugen, ohne dass du dich in umfangreichen Erklärungen verlieren brauchst.
4. Dialoge
Streue Weltenbau in deine Dialoge ein. Achte darauf, dass diese Dialoge natürlich bleiben.
„Gestern, auf dem Rückweg vom Tempel sah ich, wie ein Ork einen Kaufmann aus Haus Elinor niedergemetzelt hat“
hört sich einfach wesentlich natürlicher als
„Gestern, auf dem Rückweg vom Tempel der Yris, unserer großen Göttin des Wetters, sah ich, wie einer von den Orks, die vor zweihundert Jahren einen Krieg mit unserem Volk, den Vasea, angezettelt haben und nun in friedlicher Koexistenz mit uns leben, einen Kaufmann aus Haus Elinor, dem mächtigsten Haus der Stadt, niedergemetzelt hat.“
Niemand, absolut niemand würde so sprechen, wie in dem zweiten Beispiel. Davon abgesehen, findet hier ein Mini-Infodump statt. Deine Leserschaft wird eine Weile brauchen, um in all diesen Informationen die Kernaussage des Satzes zu finden. Daher: Keep it simple und nutze die Tipps 1 und 2, um die übrigen Informationen in deine Geschichte einzuflechten.
5. Für die Zukunft planen
Falls du eine Reihe schreibst, gebe den Elementen, die du in Teil 1 nicht unterbringen konntest, in den Folgebänden eine Bühne. Lesende lieben es, fantastische Welten in Fortsetzungen weiter zu erkunden und du stehst nicht unter dem Druck, deine Welt zu erweitern, um deinen Fans etwas Neues zu bieten.
Fazit
Es sind nicht die langen Abhandlungen, die Lesende in deine Welt ziehen, sondern die kleinen Details, die diese Welt nach und nach vor ihren Augen entstehen lassen, während deine Figuren sich in ihr bewegen. Mit diesen Tipps hast du nun hoffentlich eine Idee, wie dir das gelingt.
Der Begriff „Casual Worldbuilding“ ist übrigens eine Anlehnung an die wie beiläufige und unaufgeregte Einflechtung von Queerness in Geschichten, auch als Casual Queerness bekannt.
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Hallo, ich bin Jen, freie Lektor*in für Phantastik und queere Literatur. Von Lektorat über Schreibcoaching bis hin zu Sensitivity Reading und Korrektorat begleite ich dich auf deiner Reise zum fertigen Buch und unterstütze dich bei deiner schriftstellerischen Selbstverwirklichung. Ich freue mich auf dich und dein Manuskript!